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Montag, 25. November 2024 Mediadaten
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Mit dem Einzug durch den Mittelgang, wie Katholiken ihn kennen, hatte Udo Reineke direkt die Begeisterung auf seiner Seite.

Höxter (red). Wie viel Humor verträgt ein Welterbe? Sehr viel. Das kann die Kirchengemeinde St. Stephanus und Vitus kühn behaupten. Denn sie hat’s probiert. Ihr Kirchenkabarett mit drei Vollblut-Humoristen katholischer Prägung war angesichts der Location, der ehrwürdigen Abteikirche, ein Wagnis. Das Experiment geriet zum Volltreffer. 300 Menschen waren hingerissen. Und hatten das Gefühl, dass St. Vitus auf seinem Monument an der Nordwand am liebsten mitgelacht hätte.

Fällt heute Abend der Putz von den Wänden? Geraten die Reliquien in Unordnung? Und ist am Ende auch die Orgel verstimmt? Als Hans-Werner Gorzolka mit diesen Szenarien das Experiment des Kirchenkabaretts in Corveys heiligen Hallen ankündigte, kam der Büttenredner in ihm durch. Als solcher hat der Kreisheimatpfleger und Ideengeber dieses Abends den Karneval in seinem Heimatort Ovenhausen jahrelang mitgestaltet. Kein Wunder also, dass er den richtigen humoristischen Ton traf und die Lacher gleich auf seiner Seite hatte, als er die Künstler Udo Reineke, Anja Geuecke alias Hettwich vom Himmelsberg und Willibert Pauels („ne bergische Jung“) als „die katholische kabarettistische Dreifaltigkeit“ ankündigte.

Diese hat es in sich. Jede(r) für sich ist Kult. Und karikiert die Situation katholischen Kirche deutlich, aber weder destruktiv noch würdelos. Alle drei nennen den Reformbedarf beim Namen, kommunizieren aber auch unmissverständlich, dass die Kirche es wert ist, erneuert zu werden.

In diesem Geist kann Lachen eine Kraftquelle sein. Das war es bis zur letzten Minute und ging schon los, als Udo Reineke den Anfang machte. In seiner kultigen Landwirtskluft mit grüner Mütze zog er in katholischer Manier durch den Mittelgang in die Kirche ein und erzählte nach rustikalem Standup-Smalltalk mit Gästen rechts und links des Wegs in schönstem Westfälisch aus einer Zeit, in der die Welt noch in Ordnung war – in der die Bauern der Warburger Börde sonntags im Hochamt an ihrem Stammplatz auf der Orgelbühne die Schweinepreise diskutierten.

Alles vorbei – nicht nur weil die Landwirte inzwischen fast alle Vegetarier sind, so Udo Reineke, sondern auch, weil man jüngst durch gezieltes Nichtheizen der Kirchen die letzten frommen Katholiken auch noch vergrault hat.

Überhaupt sind die Katholiken mittlerweile eine seltene und suspekte Spezies, die mit der Frage „Du bist doch auch einer von denen?“ beargwöhnt wird. „Ich sage dann immer: Ich kenne diese Menschen nicht“, plauderte Udo Reineke aus dem (kabarettistischen) Nähkästchen. „Dann kräht auf meinem Hof immer der Hahn.“ Wie im Neuen Testament, als Petrus seine Zugehörigkeit zu Jesus leugnet. „Ich hab den Hahn aber inzwischen geschlachtet“, erzählt Udo Reineke. „Solche WikiLeaks muss man einen Kopf kürzer machen.“

Augenblicke wie diese rissen die Menschen in der aus den Nähten platzenden Kirche zu Begeisterungsstürmen hin. Diese setzten sich nahtlos fort, als Hettwich vom Himmelsberg übernahm und auf ihre roten Kirchen-Kampf-Schuhe verwies. Austreten komme für sie nicht in Frage – „weil man eine leere Kirche nicht für voll nehmen kann“. Mit dem Frauen-Priesteramt werde es zu ihren Lebzeiten wahrscheinlich nichts mehr. Trotzdem will Hettwich nicht aufgeben. Denn „Gott hat Männer und Frauen gleichermaßen in die Nachfolge berufen. Gott ist Mensch geworden und nicht Mann“, sagte sie. Und scannte sogleich mit prüfendem Blick die barocke Pracht ab: Aha. Es ist nichts von den Wänden gefallen. Kein Putz und auch kein Kirchenmann von den Chorgestühl-Dorsalen. Dann konnte sie ja nochmal nachlegen mit ihren Spitzen gegen die männerdominierten Kirchenstrukturen. Hettwichs Klartext bestärkten die Frauen im Publikum darin, das Kirchenschiff beharrlich (Reform-)Kurs zu halten. 

An diesem Kurs liegt auch Willibert Pauels, katholischer Diakon und Büttenredner im Karneval. Die rheinische Frohnatur mit Pappnase trat von der Sakristei aus vor das Publikum und kündigte sich mit dem gottesdienstüblichen Läuten am Durchgang zum Chorraum an. Den Pastorenhut tauschte er dann schnell gegen seine jecke Melone aus. Und ging direkt in die (humoristischen) Vollen, als er erzählte, dass er seinem Chef, Kardinal Woelki, ein Fahrrad schenken wollte. Warum dieser es nicht annehmen wollte, war klar: „Das Fahrrad hat Rücktritt“.

Gesellschaftskritik verpackte der Humorist in melodisches Kölsch. Beispiel:  Winnetou. Wer diese Filme problematisiere, verkenne eine zentrale Botschaft, die sich zeige, wenn der Apachen-Häuptling und Old Shatterhand Blutsbrüderschaft schließen. „Das ist Liebe, kein Rassismus“. Sprachs und summte die legendäre Filmmusik. Die Gäste stimmten mit ein. Was für ein Moment. Das hat das prachtvolle Gotteshaus noch nicht erlebt.

Humor sei befreiend, sagt Pauels. Man stehe in einer inneren Freiheit über den Dingen. „Deshalb erlaube ich mir das vor dieser unglaublichen Kulisse.“ Willibert Pauels überzeugte in einer Mischung aus Büttenrede und Glaubensbekenntnis, das zu einer impulsgebenden Art der Verkündigung geriet.  

Deshalb blieb der Putz auch an den Wänden. Die Gäste sind mit dem Gefühl aus der Kirche gegangen, dass dort in 1200 Jahren noch nie so viel gelacht worden ist. Und dass dieser besondere Ort durch die gelöste Stimmung nicht seiner Würde beraubt wurde.

Die Befürchtung, dass das passieren könnte, hat der geschäftsführende Vorsitzende des Kirchenvorstands, Josef Kowalski, zu Beginn dieses denkwürdigen Programmpunktes im Jubiläumsjahr gleich zerstreut. Ob ein solcher Abend angesichts der Situation der katholischen Kirche stilgerecht sei – diese Frage beantwortete er mit einem klaren Ja.  „Dieser Abend ist wichtig, um unseren inneren Kompass zu justieren und den Menschen Mut zu machen, nicht aus der Kirche auszutreten.“ Wer lache, gehe auf Distanz auch zu sich selbst und finde aus dieser Distanz heraus für schwierige Situationen Lösungen.

Insofern regte die Kaberettnacht dazu an, auch über sich selbst zu lachen. Wer das könne, sei auch in der Lage, leidenschaftlich und ohne dogmatische Starre zu diskutieren, sagt Willibert Pauels. So kann auch in diesem Sinne von Corvey ein Ruck ausgehen.

Fotos: Kirchengemeinde Corvey

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