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Sonntag, 24. November 2024 Mediadaten
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Höxters Archäologe als „Straßenfeger“ auf dem Hellweg, wo zuletzt vor 750 Jahren Menschen und Pferdefuhrwerke unterwegs waren. Nahe des Huxarium Archäologiepark stieß Ralf Mahtyka auf die zweispurige Handelsroute.

Höxter (red). Wer ein bisschen Fantasie mitbringt, kann die Pferdehufe auf der Corveyer Bruggestrate fast klappern hören, wenn Ralf Mahytka das Sandsteinpflaster abfegt.  Er hat am Huxarium-Archäologiepark Höxter tatsächlich ein Stück vom mittelalterlichen Hellweg gefunden. Knapp  neben dem Weg, der zur Landesgartenschau 2023 durchs Lavendelfeld verlief und eben diesen Hellweg darstellen sollte.  

Mahytka nutzte die Chance im Zuge des Gartenschau-Rückbaus hier zu graben, bevor Teile des Weserbogens wieder Acker wurden. Die Stelle erschien dem Stadtarchäologen schon bei den Bauarbeiten zur Landesgartenschau in Höxter ein genaueres Hinsehen wert. Und er sollte recht behalten: Unter der Erde stieß er tatsächlich auf die große Handelsstraße – nur ein bisschen versetzt zur neuzeitlichen „Nachzeichnung“ aus rotem Split für die Gartenschau-Besucher.

Damit wurde die Mittelalter-Autobahn zum zweiten Mal in der versunkenen Stadt Corvey freigelegt – auch Hans-Georg Stephan hatte in den 80er-Jahren ein Stück davon ausgebuddelt. „Er fand damals ganz exakt senkrecht verlegtes Sandsteinpflaster vor – eine sehr aufwendige Art zu pflastern, eine regelrechte Puzzlearbeit“, erklärt Mahytka. Die von ihm jüngst freigelegten Pflastersteine sind durch das Pflügen in den vergangenen Jahrhunderten gekippt – „gestört“, wie der Fachmann sagt. Heute pflügt man nicht mehr so tief, daher ist nicht zur erwarten, dass die Bruggestrate zukünftig Schaden nimmt, wenn hier wieder Landwirtschaft betrieben wird.

Bruggestrate – Brückenstraße: So hieß diese breite Achse tatsächlich, die sich fast schnurrgerade durch die Stadt Corvey zog, die 1265 überfallen und zerstört worden war. Sie führte mitten hindurch, über den Marktplatz bis zur Weserbrücke. Die ist jetzt durch einen architektonisch interessanten Holzkubus direkt am Weserradweg markiert. Hier kann man in Hörspielen dem Brückenmeister begegnen, der den Zoll kassiert. Und mittels Augmented Reality spannt sich die Brücke sogar virtuell auf dem eigenen Handy-Display von einem Weserufer zum anderen.

Hier an der imposanten Brücke begann die Bruggestrate, die Mahytka in einem kleinen Ausschnitt freilegen konnte. „Wahnsinn, wenn man sich überlegt, dass hier nach 750 Jahren wieder ein Mensch drüber läuft“, sagt der Archäologe und zeigt auf das mittelalterliche Pflaster zu seinen Füßen. Auf der Bruggestrate muss damals viel Verkehr geherrscht haben, schließlich prosperierte die Stadt Corvey derart, dass die Höxteraner mit Neid auf die aufstrebenden Nachbarn blickten. Ein Grund, warum man die Stadt im Jahr 1265 gemeinsam mit dem Bischof von Paderborn nahezu dem Erdboden gleichmachte und die Bewohner vertrieb. Zur Blütezeit hatten an der Stelle mal 2.000 bis 4.000 Menschen gelebt. Die verhältnismäßig große Stadtwüstung beschäftigt heute die Archäologen und fasziniert die Archäologiepark-Besucher.   

Mahtyka kratzt ein bisschen mit der Kelle: Gut zu erkennen sind in der Grube die größeren Sandsteine, die die Fahrspur seitlich einfassen. Es wird auch noch eine zweite Fahrbahn für den Gegenverkehr gegeben haben, außerdem Gräben und Gehwege.  Wie passend, dass der Archäologe auch ein Hufeisen fand und metallische Reste, wahrscheinlich von der Verstärkung einer sogenannten Trippe: „Das waren kleine Holzstege, die man sich unter die Schuhe schnallte, um halbwegs sauber über die matschige Straße zu kommen“, erklärt Mahytka.   Eine Rekonstruktion eines solchen Überschuhs - oder besser gesagt Unterschuhs gibt es im Höxteraner Stadtarchiv.

Mahytka will seinen Befund mit den Daten des Landschaftsverbands Westfalen-Lippe abgleichen, dessen Fachleute den Hellweg beziehungsweise die Bruggestrate mit modernen Methoden wie dem Bodenradar vermessen hatte. Das Pflaster wurde mit einem Schutzvlies abgedeckt und wieder zugeschüttet.

Nebenan im Archäologiepark buddelt Mahytka ab dem 29. April immer montags ab 10 Uhr in einer offenen Schaugrabung. Manchmal sogar gemeinsam mit interessierten großen und kleinen Besuchern. Gegraben wird nur, wenn die Witterungsbedingungen es erlauben, aber immer montags ist der Archäologe vor Ort und ansprechbar (abgesehen von Pfingstmontag). Zur Landesgartenschau hatte Ralf Mahytka damit begonnen, den Keller des Metzgers freizulegen – meist umringt von einer Zuschauertraube.

Fast ein bisschen makaber, dass der Fleischer ausgerechnet Nachbar des berühmten Chirurgen von der Weser war – jener Arzt, der auf dem Corveyer Marktplatz den Grauen Star stach. Sein Operationsbesteck wurde hier gefunden.  Nachbildungen davon im 3-D-Druck können Kinder im Archäologie-Sandkasten  suchen und finden – genauso wie Mauerfragmente, ein Hufeisen oder einen Schlüssel.

An weiteren Holzkuben erleben die Huxarium-Besucher die Stadtbefestigung mit Wachmann und die große Marktkirche, die genauso wie das Haus des Chirurgen virtuell auf dem Handy-Display erscheint. Man kann um die digital erzeugten Gebäude herum und sogar hineingehen.  Ein multimediales Mittelalter-Erlebnis unweit des Welterbes am einstigen Kloster Corvey, das sogar aus karolingischer Zeit stammt. Der Huxarium Gartenpark verbindet eben Historie mit Blumenpracht.

Foto: Huxarium Gartenpark Höxter

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