Paderborn/Höxter (red). Hoher Besuch in der Paderborner IHK-Zweigstelle: Zur traditionellen Gemeinschaftsveranstaltung „Wirtschaft trifft…“ konnten IHK-Vizepräsident Christoph Plass und der stellvertretende Vorsitzende des Wirtschaftsclubs Paderborn+Höxter, Jörg Wilde, in diesem Jahr den Paderborner Erzbischof Dr. Udo Markus Benz begrüßen. Rund 150 Gäste aus Wirtschaft und Politik ließen sich von dessen Überlegungen zum Thema „Leadership – Inspiration aus christlicher Perspektive“ begeistern und inspirieren.
Einen quirligen Menschen mit Humor, habe sie bei Ihren Recherchen entdeckt, berichtete Moderatorin Stefanie Martin und entlockte dem Erzbischof im Gespräch persönliche Informationen zu seinem Werdegang – der, wie sich herausstellte, nicht der klassischen Kirchenkarriere entspricht. So wuchs Bentz zwar in einem katholischen Umfeld auf, hatte sich bis zu seinem Abitur aber gar nicht übermäßig in der Gemeinde engagiert und war auch nie Messdiener gewesen. Bevor er sich für den Weg als Geistlicher entschied, schloss er sogar noch eine Lehre zum Bankkaufmann ab. Nach dem Theologiestudium führte sein Weg ihn dann über Worms und Mainz schließlich nach Paderborn. Dort wurde der geborene Pfälzer als erster Auswärtiger seit mehr als 130 Jahren im März 2024 zum Erzbischof geweiht. Auf die Frage, wie junge Menschen angesichts von Kirchenaustritten, Verschwörungstheorien und rechten Tendenzen heute noch zu erreichen seien, riet Bentz, Antworten zu liefern, ohne zu polarisieren. „Und wieso überlassen wir die Meinungsbildung in den sozialen Medien eigentlich den Akteuren der politischen Ränder, statt dort selbst mit jungen Menschen ins Gespräch zu kommen?" Eine konkrete Bindung an Institutionen und Gemeinschaften falle Jugendlichen heutzutage schwer. „Wir müssen die Jugend deshalb ansprechen, ohne sie gleich binden zu wollen“, betonte Bentz. „Das ist sowohl für uns als Kirche, aber auch für Parteien und andere Institutionen wichtig.“ Das plurale Wertegerüst unserer Gesellschaft zu erhalten, sei in dieser Zeit eine echte Herausforderung, stellte Bentz klar. „Deshalb müssen die gesellschaftlichen Kräfte mit aller Kraft den Dialog suchen.“
In seinem einem Vortrag „Leadership – Inspiration aus christlicher Perspektive“ beleuchtete Bentz anschließend einen derzeit viel genutzten Begriff. „Weil sich nicht nur die Kirche, sondern auch Wirtschaft und Gesellschaft in einem gewaltigen Transformationsprozess befinden, brauchen wir echtes Leadership heute mehr denn je.“ Im Unterschied zum organisations- und prozessorientierten Begriff „Management“, verstehe er darunter Charisma, Vision und Motivation zur Veränderung. „Wir leben in einer Zeit, die Führung verlangt und zugleich ein tiefes Misstrauen gegen Führungsfiguren hegt“, erklärte er. Tatsächlich gebe es ja derzeit auch zahlreiche Führer mit Macht und Einfluss, die aber keine Vorbilder seien. „Echtes Leadership dagegen lebt von Autorität im guten Sinne, die man sich nicht selbst verleihen, sondern nur zugesprochen bekommen kann.“ Es brauche zudem ein Wertesystem und echte Haltung. „Und damit meine ich nicht toxisches Leadership in einem geschlossenen Zirkel von Gleichgesinnten“, stellte Bentz klar. „Wozu das führen kann, sehen wir unter anderem an den Fehlern, die bei der Aufarbeitung des Missbrauchs von der Kirche gemacht wurden.“ Weil Leadership auf Erfolg angewiesen sei, bestehe außerdem immer auch die große Gefahr von Opportunismus. „Wie schnell haben sich zum Beispiel die Hightech-Unternehmen in den USA nach anfänglicher Kritik inzwischen von Trump vereinnahmen lassen?“
Bentz verwies auf das Bild des Hirten als Führer aus christlicher Perspektive. „Das wirkt auf den ersten Blick zwar etwas verstaubt - weil heute niemand mehr Schaf sein will - ist aber tatsächlich moderner denn je.“ Ein guter Hirte müsse sich nur bewegen und die Herde folge ihm freiwillig und ohne Druck. „Dafür muss er seine Schafe nicht nur genau kennen und wertschätzen, sondern auch Sicherheit und Verlässlichkeit bieten.“ Am Anfang jeder guten Führung stünden dabei Selbsterkenntnis, Selbstreflexion und Selbstkritik. „Zu echtem Leadership gehört die Bereitschaft, sich selbst zu prüfen und dabei auch den Blick von außen zuzulassen“, sagte Bentz. „Der Mut, sich selbst begründet zu korrigieren, erhöht die Autorität, statt sie zu schmälern.“ Gute Führung aus christlicher Sicht brauche grundsätzlich eine Haltung, die sich nicht einfach nur selbst genüge, sondern am Wohl der ganzen Gemeinschaft orientiere. „Wenn es uns zum Beispiel nur um unseren Selbsterhalt als Kirche geht, verlieren wir unsere Relevanz“, konstatierte Bentz. Das Gleiche gelte auch für Parteien, Unternehmen und andere Institutionen. „Statt um Macht, muss es um Verantwortung für Wahrheit, Gerechtigkeit, Menschenwürde und Frieden gehen. Echte Führung ist kein Herrschafts-, sondern ein Dienstmodell.“
Foto: Daniel Ligges